Nachrichten

Interkulturelle Perspektiven für die Epilepsie-Forschung

Foto: Sarah Jonek

Eine Epilepsie kann Menschen nicht nur in Form von Anfällen einschränken. Auch soziale Rahmenbedingungen spielen eine Rolle – etwa, wenn es um gesellschaftliche Vorurteile gegenüber den Erkrankten geht. An der Saitama Medical University in Japan untersucht Prof. Izumi Kuramochi, wie sich diese Vorurteile auf die psychische Gesundheit von Patientinnen und Patienten auswirken – und welche Unterschiede es dabei zwischen verschiedenen Kulturen gibt. Um mehr über die Situation in Deutschland zu erfahren, hat die Neuropsychiaterin und Epilepsiespezialistin eineinhalb Jahre lang als Gastwissenschaftlerin an der Universitätsklinik für Epileptologie am Krankenhaus Mara in Bielefeld-Bethel geforscht.

„Vorurteile gegenüber Menschen mit Epilepsie sind ein globales Problem“, sagt Prof. Kuramochi. „Menschen mit Epilepsie sind ständig der Gefahr ausgesetzt, von der Gesellschaft diskriminiert zu werden.“ Unwissen und stereotype Wahrnehmungen führten zur Stigmatisierung von erkrankten Menschen – mit negativen Auswirkungen auf ihre Lebensqualität. Doch nicht nur für sich genommen sei diese Stigmatisierung problematisch: „Wenn Betroffene ihr immer wieder ausgesetzt sind, kann es sein, dass sie sie selbst verinnerlichen“, erklärt Prof. Kuramochi.

Wie stark Patientinnen und Patienten zu dieser sogenannten Selbststigmatisierung neigen, hat die Wissenschaftlerin mit Hilfe eines Fragebogens untersucht. Zum Beispiel sollten die Befragten angeben, ob sie sich wegen ihrer Erkrankung schämen oder ob sie versuchen, zu verheimlichen, in ärztlicher Behandlung zu sein. Beim Vergleichen der Ergebnisse aus Japan und Deutschland fand Prof. Kuramochi heraus, dass die Selbststigmatisierung bei Patientinnen und Patienten in Japan deutlich stärker ausgeprägt ist. „Die deutschen Patienten erreichten insgesamt niedrigere Werte. Zugleich hatten sie ein größeres Selbstwertgefühl und schätzten ihre Lebensqualität höher ein“, so Prof. Kuramochi.

Eine mögliche Erklärung dafür sieht sie im kulturellen Kontext: „Die japanische Gesellschaft ist kollektivistisch geprägt. Wenn jemand krank ist, wird das häufig als Fehler wahrgenommen.“ Selbst innerhalb des Familien- und Freundeskreises werde deshalb mitunter versucht, die eigene Epilepsie-Erkrankung zu verbergen. In Deutschland hingegen sei das Selbstbewusstsein der Patientinnen und Patienten größer, die Gesellschaft insgesamt individualistischer, aber auch die Akzeptanz von Erkrankungen höher. Selbstbewusst mit der eigenen Epilepsie-Erkrankung umzugehen sei in Deutschland ein zentraler Aspekt der Beratung von Epilepsiepatienten, sagt Prof. Dr. Christian Brandt, Leitender Abteilungsarzt am Epilepsie-Zentrum Bethel. Schulungsprogramme wie MOSES und famoses verfolgten das Ziel, Patientinnen und Patienten mehr Wissen über ihre Erkrankung zu vermitteln, damit sie den Alltag besser bewältigen könnten.