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Kostenlose Pränataltest: Bethel befürchtet mehr Abtreibungen von Kindern mit Trisomie
Bethels Vorstandsvorsitzender Pastor Ulrich Pohl kritisiert die unmittelbar bevorstehende Einführung kostenloser Trisomie-Bluttests für Schwangere. Der Test, mit dem eine Behinderung eines ungeborenen Kindes festgestellt werden kann, wird zum 1. Juli 2022 Kassenleistung. Bethel erkennt darin eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. „Es ist zu befürchten, dass sehr viele Kinder mit Down-Syndrom gar nicht mehr zur Welt kommen“, sagt Ulrich Pohl.
Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zum Einsatz nicht-invasiver Pränataltests (NIPT) traten schon im November 2021 in Kraft. Anschließend berieten Ärzteschaft und Krankenkassen im Bewertungsausschuss über eine Abrechnungsziffer und beschlossen kürzlich die Einführung. Somit kann die neue Leistung zum 1. Juli 2022 für gesetzlich krankenversicherte Frauen erbracht und abgerechnet werden.
Mit dem NIPT können neben Trisomie 21 (Down-Syndrom) auch die selteneren und schwerwiegenderen Trisomien 13 und 18 festgestellt werden. Für den Test wird Blut aus der Armvene der Schwangeren entnommen. Das vorgeburtliche Untersuchungsverfahren wurde in Deutschland 2012 zugelassen. Bis dahin waren nur so genannte invasive Tests möglich, etwa eine Entnahme von Fruchtwasser. Diese werden bereits von den Krankenkassen bezahlt. Sie können als schwerwiegendste Komplikation eine Fehlgeburt zur Folge haben. Bei einer bis vier von 1000 untersuchten Frauen kann dies der Fall sein. Die Kosten für den Bluttest mussten bislang privat getragen werden, je nach Anbieter lagen sie zwischen 130 und 540 Euro. Künftig werden sie von den Krankenkassen übernommen. Die Bluttests sollen aber keine Routineuntersuchung werden. Sie sollen nur im Einzelfall eingesetzt werden nach einer gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt gefällten Entscheidung oder wenn sich aus anderen Untersuchungen der Hinweis auf eine Trisomie ergeben hat.
Bethel kritisiert die Einführung kostenloser Tests als Bedrohung des Lebensrechts von Menschen mit Behinderungen. Es entstehe ein gesellschaftliches Klima, in dem nur willkommen sei, wer gesundheitliche Standards erfülle. „Wenn Menschen mit Down-Syndrom zunehmend als vermeidbar wahrgenommen werden, setzt das Eltern unter Druck, sich für eine Abtreibung zu entscheiden“, sagt Ulrich Pohl und spricht von einer „selektiven Fahndung nach unerwünschten Abweichungen“. Er verweist auf die Quote von rund 90 Prozent aller Schwangeren, die sich für einen Abbruch der Schwangerschaft entscheiden, wenn sie erfahren, dass ihr Kind Trisomie 21 hat. In Dänemark kamen nur noch halb so viele Kinder mit Down-Syndrom zur Welt, nachdem der Bluttest zur Kassenleistung geworden war.
Der Bluttest verbessere nicht die medizinische Versorgung von Schwangeren und liefere auch keine Therapiemöglichkeiten für das ungeborene Kind, so Ulrich Pohl weiter. Zudem verstoße der Bluttest gegen die von Deutschland unterzeichnete UN-Behindertenrechtskonvention, in der Vielfalt als Bereicherung betrachtet und ein selbstverständliches Zusammenleben aller Menschen gefordert wird. „Wir wollen eine Gesellschaft, in der auch Menschen mit Behinderungen gut leben können“, betont Pohl. Beim Down-Syndrom haben Menschen in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden, daher die Bezeichnung Trisomie 21. Folgen sind körperliche Auffälligkeiten und eine verlangsamte motorische, geistige und sprachliche Entwicklung. Ausprägungen sind aber sehr unterschiedlich. Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) und Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) führen zu überdurchschnittlich hoher Sterblichkeit der Kinder vor und kurz nach der Geburt.