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Europäischer Protesttag: Demo und Aktionen in Bielefeld und Lobetal

Katharina Thielke vom Politischen Stammtisch Bethel hat klare Forderungen. Foto: Christian Weische
Katharina Thielke vom Politischen Stammtisch Bethel hat klare Forderungen. Foto: Christian Weische

Demonstration und Kundgebung in Bielefeld

Zwei Mal musste er ausfallen, nun durfte er endlich wieder stattfinden: Der große Demonstrationszug am 5. Mai, dem Europäischen Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, ist in Bielefeld schon eine Tradition. Nach der Corona-bedingten Pause nahmen in diesem Jahr wieder mehrere hundert Menschen an der Aktion teil, deren Motto in diesem Jahr „Tempo machen für Inklusion!“ lautete.

Treffpunkt und Start der Demonstration war wie üblich der Bielefelder Hauptbahnhof, das Ziel variiert: Nach dem Alten Markt, dem Jahnplatz und dem Rathausplatz endete der lautstarke und bunte Lindwurm in diesem Jahr auf dem Kesselbrink. Auf ihrem Weg sorgten die Teilnehmenden, die dem Aufruf eines breiten Bielefelder Aktionsbündnisses gefolgt waren, mit Rasseln, Trillerpfeifen und selbstgestalteten Plakaten für Aufsehen. Besonders viel Aufmerksamkeit zog die Theaterwerkstatt Bethel auf sich, die mit zwei Performances zusätzliche Farbe und Trubel in den Protestzug brachten.

Auf der großen Kundgebung auf dem Kesselbrink ergriff auch Oberbürgermeister Pit Clausen das Wort. Der Schirmherr der Veranstaltung plädierte für den Abbau von Barrieren und eine Inklusion mit Augenmaß. Gleichzeitig sicherte er den Demonstrierenden seine Unterstützung zu. Damit diesen Worten auch Taten folgen, konfrontierte Mit-Organisatorin Claudia Große vom „Politischen Stammtisch“ der Neuen Schmiede den Politiker mit konkreten Forderungen, etwa nach bezahlbarem Wohnraum, barrierefreien öffentlichen Toiletten und einem besser ausgebauten Nahverkehr.

Die überklebten Schilder zeigen, wie schwierig die Orientierung für Menschen mit kognitiven Einschränkungen ist. Foto: Mechthild Rieffel

Protestaktionen in Lobetal

Auf dem Lobetaler Dorfplatz luden Mitarbeitende, Bewohnerinnen und Bewohner zum Austausch über ein barrierefreies Miteinander ein. An einem Aktionsstand wurde Informationsmaterial verteilt und Menschen mit Einschränkungen berichteten im persönlichen Gespräch von ihren täglichen Erfahrungen. Rollstuhlfahrerin Franziska Wenzel erzählte, dass im normalen Linienbus immer nur Platz für einen Rollstuhl ist. „Alle anderen müssen dann auf den nächsten Bus warten, der erst eine Stunde später kommt. Da kann dann auch wieder nur einer mit.“ Lobetaler Volker Wittig, der auch auf einen Rollstuhl angewiesen ist, ärgert sich: „Das geht mir so auf den Senkel! Die ganzen Barrieren ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Lebensbereiche.“ Türen, die einem jemand aufmachen muss, Klingelknöpfe, vor denen Fahrradständer stehen und viel zu enge Gänge in Geschäften machen ihm das Leben schwer. Um sein Ziel zu erreichen, muss er oft lange Umwege in Kauf nehmen und sich für Fahrten vorher telefonisch anmelden. „Wo bleibt denn da die Spontanität?“ fragt er und Einrichtungsleiterin Zarina Engel berichtet, dass Bewohnerinnen und Bewohner oft einzeln mit Dienstfahrzeugen gefahren werden müssen, wenn mal wieder kein Platz im Bus war. „Wenn sie ihren Arbeitsort nicht erreichen können, wo bleibt da die Teilhabe, wo die Selbstbestimmung?“


Heilerziehungspflegerin Danielle Villain und Einrichtungsleiterin Andrea Tholl gestalteten mit einer kleinen Gruppe von nicht lesenden Menschen verschiedene Schilder, mit denen sie in einer Protestaktion in Lobetal einige Schilder überklebten. Ziel der Aktion war, darauf aufmerksam zu machen, wie schwierig die Orientierung für Menschen mit kognitiven Einschränkungen ist. „Das Wegetraining, das wir mit allen so lange machen, bis sie sich hier zurechtfinden, wäre so viel einfacher, wenn es zu den geschriebenen Worten auch leicht verständliche Bilder gäbe.“, sagte Frau Villain, „Für uns war klar, dass wir als Stiftung bei diesem Europäische Protesttag dabei sein müssen.“ fügte Frau Tholl hinzu. Mit Bollerwagen, Luftballons, Schildern und reichlich guter Laune zogen die Akteurinnen und Akteure los und verteilten die Schilder in Lobetal. Unterwegs mussten sie immer wieder erklären, und dabei wurde klar, dass den meisten Lesenden die Problematik gar nicht klar war. „Genau darum,“ fasst Danielle Villain zusammen, „haben wir ja hier und heute mal Bescheid gesagt.“