Pressemitteilung

10. CRA-Kongress | Interview mit Dr. Martin Reker

​​​​​​​Anreize helfen aus der Sucht

Bielefeld-Bethel. Eine Lebenspartnerschaft, eine eigene Wohnung oder der Erhalt des Arbeitsplatzes: Für Menschen, die alkoholabhängig oder drogensüchtig sind, muss es gute Gründe geben, um den Konsum zu beenden. Davon geht der „Community Reinforcement Approach“ (CRA) aus. Dr. Martin Reker, Ärztlicher Leiter der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB), hat den in den USA entwickelten CRA federführend in Deutschland etabliert. Auf seine Initiative hin wurde zudem der CRA-Kongress ins Leben gerufen, der seit 2011 – mit coronabedingter Unterbrechung – gemeinsam mit dem Verein für Gemeindeorientierte Psychotherapie e.V. durchgeführt wird. Jetzt fand der Kongress zum zehnten Mal statt – in diesem Jahr in Bielefeld-Bethel. Anlässlich des Jubiläums sprach Dr. Martin Reker in einem Interview über die Entwicklung und Besonderheiten aus zehn Kongressjahren.

Herr Dr. Reker, das Interesse am diesjährigen Kongress war gewohnt groß. Was ist die Besonderheit dieser Veranstaltung?

Reker: Der Kongress hat sich zu einem wichtigen Forum entwickelt für alle, die mit dem CRA-Modell vertraut sind und mit ihm arbeiten. In dem Format tauschen wir Erfahrungen aus und geben neue Erkenntnisse zu dem Ansatz weiter. In Deutschland hat sich ein echte CRA-Community gebildet – ein vielfältiges, wertvolles Netzwerk mit unterschiedlichsten Akteuren. Auch das Konzept mit wechselnden Veranstaltungsorten hat sich bewährt. Er findet er je ein Jahr in Bethel und ein Jahr an wechselnden Orten und bei unterschiedlichen Trägern und Kliniken statt – überall dort, wo der CRA implementiert wurde.

 

Hat sich der Kongress gewandelt? Gibt es neue Schwerpunkte?

Reker: Die CRA-Philosophie nimmt für sich in Anspruch, ein subjektorientierter Ansatz zu sein – sprich, das zu erkennen, was die Patienten wirklich wollen, um das dann im klinischen Alltag mit den Patienten umzusetzen. Daher ist es uns wichtig, dass Suchterfahrene und Angehörige selbst mehr zu Wort kommen und von ihren Erfahrungen berichten. Das gibt wichtige Impulse. Das Erfahrungswissen der Patienten kommt in der klassischen Therapie etwas zu kurz. Bei diesem 10. Kongress haben Betroffene und Angehörigen daher eine zentrale und aktive Rolle im Programmablauf

 

Aus welcher Idee heraus ist der CRA-Kongress entstanden?

Reker: Wir haben hier in der Klinik und speziell im Suchtbereich eine lange gemeindeorientierte Tradition. Das bedeutet: Wir machen Psychiatrie und Suchtarbeit dort, wo die Menschen leben. Diese Arbeit und unsere Methodik wollten wir wissenschaftlich stärker fundieren. Und dann bin ich 2006 in den USA auf den Community Reinforcement Approach gestoßen – ein nachweislich sehr wirksamer und erfolgreicher Ansatz, der aber in Deutschland lange nicht bekannt war.

 

Warum sind Sie persönlich von dem Ansatz so überzeugt?

Der CRA ist gut umsetzbar, wenn man, wie wir in Bethel, sehr stark am und im Lebensumfeld der Patienten unterwegs ist. Uns ist aber auch wichtig, ein Behandlungskonzept zu fahren, das man mit unterschiedlichen Berufsgruppen betreiben kann. Und dem, was wir mit dem CRA machen, kann man sich aus jeder Ausbildungsrichtung anschließen. Denn das Modell folgt einer Logik, die für jeden nachvollziehbar ist:  Der Patient braucht ein Motiv oder ein Lebensziel, um etwa mit dem Trinken aufzuhören. Ob man nun Tiefenpsychologe, Verhaltenstherapeut oder Systemiker ist – diesem Grundgedanken kann sich fast jeder anschließen. Das Prinzip „Konsumverzicht muss sich lohnen“ ist außerdem auch in anderen Hilfefeldern gut anwendbar, zum Beispiel in der Eingliederungs- oder Wohnungslosenhilfe. In unseren regionalen Qualifizierungsangeboten schulen wir daher auch Teams von Bethel.regional in der Thematik.

 

Bildunterschriften:

  • Kongress-Initiator und Suchttherapeut Dr. Martin Reker, Foto: Sarah Jonek
  • Gut 200 CRA-Experten besuchten den Kongress im Assapheum in Bethel. Fotos: Gunnar Kreutner