Pressemitteilung

Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen

Bethel-Vorstand kritisiert Trisomie-Bluttests

Bielefeld-Bethel. Anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tags am 21. März spricht sich Ulrich Pohl, Vorstandsvorsitzender der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, gegen die Einführung kostenloser Trisomie-Bluttests für Schwangere aus. Der Test, mit dem eine Behinderung eines ungeborenen Kindes festgestellt werden kann, soll nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Gesundheitswesen in Kürze Kassenleistung werden. Bethel erkennt darin eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. „Es ist zu befürchten, dass sehr viele Kinder mit Down-Syndrom gar nicht mehr zur Welt kommen“, sagt Ulrich Pohl.

Mit dem nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) können außer Trisomie 21 (Down-Syndrom) auch die selteneren und schwerwiegenderen Trisomien 13 und 18 festgestellt werden. Das vorgeburtliche Untersuchungsverfahren wurde in Deutschland 2012 zugelassen. Bis dahin waren nur so genannte invasive Tests möglich, etwa eine Entnahme von Fruchtwasser. Diese werden bereits von den Krankenkassen bezahlt. Sie können als schwerwiegendste Komplikation eine Fehlgeburt zur Folge haben. Bei einer bis vier von 1000 untersuchten Frauen kann dies der Fall sein. Die Kosten für den Bluttest mussten bislang privat getragen werden. Künftig werden sie von den Krankenkassen übernommen. Die Bluttests sollen aber keine Routineuntersuchung werden. Sie sollen nur im Einzelfall eingesetzt werden nach einer gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt gefällten Entscheidung oder wenn sich aus anderen Untersuchungen der Hinweis auf eine Trisomie ergeben hat.

Bethel kritisiert die Einführung kostenloser Tests als Bedrohung des Lebensrechts von Menschen mit Behinderungen. Es entstehe ein gesellschaftliches Klima, in dem nur willkommen sei, wer gesundheitliche Standards erfülle. „Wenn Menschen mit Down-Syndrom zunehmend als vermeidbar wahrgenommen werden, setzt das Eltern unter Druck, sich für eine Abtreibung zu entscheiden“, sagt Ulrich Pohl und spricht von einer „selektiven Fahndung nach unerwünschten Abweichungen“. Er verweist auf die Quote von rund 90 Prozent aller Schwangeren, die sich für einen Abbruch der Schwangerschaft entscheiden, wenn sie erfahren, dass ihr Kind Trisomie 21 hat. In Dänemark kamen nur noch halb so viele Kinder mit Down-Syndrom zur Welt, nachdem der Bluttest zur Kassenleistung geworden war.

Der Bluttest verbessere nicht die medizinische Versorgung von Schwangeren und liefere auch keine Therapiemöglichkeiten für das ungeborene Kind, so Ulrich Pohl weiter. Zudem verstoße der Bluttest gegen die von Deutschland unterzeichnete UN-Behindertenrechtskonvention, in der Vielfalt als Bereicherung betrachtet und ein selbstverständliches Zusammenleben aller Menschen gefordert wird. „Wir wollen eine Gesellschaft, in der auch Menschen mit Behinderungen gut leben können“, betont Pohl.

Beim Down-Syndrom haben Menschen in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden, daher die Bezeichnung Trisomie 21. Folgen sind körperliche Auffälligkeiten und eine verlangsamte motorische, geistige und sprachliche Entwicklung. Ausprägungen sind aber sehr unterschiedlich. Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) und Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) führen zu überdurchschnittlich hoher Sterblichkeit der Kinder vor und kurz nach der Geburt.

Die Beschlüsse des G-BA zum Einsatz nicht-invasiver Tests sind am 9. November 2021 in Kraft getreten. Seitdem beraten Ärzteschaft und Krankenkassen im Bewertungsausschuss über eine Abrechnungsziffer. Für diesen Schritt haben sie bis zu sechs Monate Zeit. Erst wenn die Abrechnungsziffer vorliegt, kann die neue Leistung für gesetzlich krankenversicherte Frauen erbracht und abgerechnet werden.