Selbst sehr offensichtliche Fehler wurden in der Neufassung beibehalten, obwohl Bethel diese in einer umfangreichen Stellungnahme an den Verlag Beltz Juventa kommuniziert hatte.
So wird weiterhin ein mehrseitiges „aufschlussreiches“ Dokument aus dem Stadtarchiv Bielefeld abgedruckt, das angeblich aus dem Jahr 1940 stammen soll. Allerdings ist auf jeder Seite das Menü- und Registerband von Microsoft Office zu sehen (S.170-178). Dies war 1940 natürlich nicht möglich. Somit kann es schlichtweg kein Dokument aus dem Jahr 1940 sein, es wird aber als ein solches ausgegeben.
Ebenso wurde eine Statistik zur prozentualen Säuglingssterblichkeit von 1941 bis 1945 im Berliner „Kaiserin Auguste Victoria Haus“ (KAVH) fingiert: Da keine absoluten Zahlen zur Säuglingssterblichkeit für das KAVH vorliegen, wurden kurzerhand die Zahlen der verstorbenen Säuglinge aus dem Kinderkrankenhaus der Charité genommen. Die daraus errechnete prozentuale Säuglingssterblichkeit wurde in der Neufassung zwar nicht mehr abgedruckt, jedoch verblieb die Spalte mit der absoluten Zahl von verstorbenen Kinder in der Statistik. Der Leserschaft wird somit immer noch verschwiegen, dass Zahlen zweier unterschiedlicher Kinderkrankenhäuser miteinander vermischt wurden (S.253).
Darüber hinaus werden die Zahlen der Zwangssterilisationen, in den verschiedenen Aufsätzen, weiterhin komplett falsch und unterschiedlich angegeben. So sollen es laut Autorin Keßler allein bis zum Jahr 1936 bereits insgesamt „2.854 Bewohner*innen“ gewesen sein (S.66). Autorin Degen gibt für den Zeitraum 1933 bis 1945 als Zahl „ca. 2.000“ an (S.115). Obwohl es zu dem Thema der Zwangssterilisationen valide durchgeführte historische Forschungen gibt, welche digital rasch zugänglich sind, haben sich Verlag und Autorinnen auch hier dafür entschieden die Fehler beizubehalten.
Verändert wurde hingegen die Falschbehauptung der Autorin Barbara Degen – wie sie leider auch vielfach im Internet zu finden ist –, sie erhalte „keine Genehmigung“ zur Nutzung des Hauptarchivs Bethel. In der neuen Fassung von November 2024 heißt es nun: „wurde mir erschwert“ (S.96). Dies bleibt dennoch eine Falschbehauptung. Fakt ist, dass die Autorin gar keine Nutzung angefragt hatte.
Komplett gestrichen wurde immerhin der Satz: „Degen (2014, S. 36) konnte jedoch anhand der Totenscheine des Kinderkrankenhauses ‚Sonnenschein‘ herausfinden, dass kaum einer der gestorbenen Säuglinge Muttermilch durch Stillen oder Abpumpen erhalten hat.“ (Seite 54 in der Fassung von Juli 2024). Hiermit wollte die Autorin Marion Keßler eine empirische Belegbarkeit für die Sterblichkeit im Kinderkrankenhaus Sonnenschein suggerieren. Diese ist durch „Totenscheine“ keinesfalls nachzuweisen, da hier natürlich nicht vermerkt wurde, wie Säuglinge zu Lebzeiten ernährt wurden. Dass Autorin Degen bereits in ihrer Veröffentlichung 2014 diese Falschinformation verbreitet hat, und damit ebenfalls empirische Belegbarkeit suggerieren wollte, ist unseriös genug.