Bethel im Nationalsozialismus

Gab es in Bethel „Euthanasie“?

Männer beim Kartoffel schälen

Von der nationalsozialistischen „Euthanasie“ waren in Bethel über 3500 epilepsiekranke, behinderte und psychisch kranke Bewohner und Bewohnerinnen bedroht. Zu Abtransporten und systematischen Tötungen kam es aber nicht.

Ab Frühjahr 1940 wusste man in Bethel, dass behinderte und psychisch kranke Menschen in Tötungsanstalten gebracht und dort ermordet wurden. Diese „Aktion T4“ basierte auf einem Geheimerlass von Adolf Hitler datiert auf den 1. September 1939. Mithilfe von Meldebögen, die am 14. Juni 1940 auch an Bethel verschickt wurden, sollten die Patientinnen und Patienten über Diagnosen und Angaben zur Arbeitsfähigkeit kategorisiert werden. Anstaltsleiter Friedrich von Bodelschwingh d.J. stellte sich aus christlichen Gründen gegen die „Euthanasie“. Weil Bethel die Meldebögen nicht ausgefüllt hatte, untersuchte im Februar 1941 eine staatliche Ärztekommission alle Patienten und Patientinnen. Man musste damit rechnen, dass 446 Männer und Frauen der »Euthanasie« zum Opfer fallen könnten. Dazu kam es nicht, denn im August 1941 wurde die »Aktion T4« offiziell eingestellt.

Auch die „zweite Phase“ der „Euthanasie“ hat die historische Forschung für Bethel untersucht. Im Kriegsverlauf verschlechterten sich die Lebensbedingungen der in Bethel lebenden Menschen zusehends und die Sterblichkeit stieg zum Kriegsende an. Dies ist auf die kriegsbedingte Mangelernährung durch die schlechtere Versorgungslage in ganz Deutschland zurückzuführen. Hinzu kam die Zerstörung einzelner Betheler Pflegehäuser durch Luftangriffe. Infektionskrankheiten breiteten sich schneller aus. Auf ein bewusstes Verhungern- oder Sterbenlassen der Patientinnen und Patienten in Bethel, wie es andernorts in der zweiten „Euthanasie“-Phase durchaus Methode war, konnten die Forschenden in den historischen Quellen keine Hinweise finden. Die Sterblichkeit normalisierte sich erst mit der abschwächenden Versorgungskrise seit Mitte 1946.

 

 

Literatur

Matthias Benad, „…unter Einsatz aller unserer Kräfte Anwälte unserer Kranken sein.“ Bethel und die nationalsozialistischen Krankenmorde – ein Überblick über den Stand der Forschung, 2015. zur PDF

Anneliese Hochmuth, Spurensuche. Eugenik, Sterilisation, Patientenmorde und die v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel 1929-1945, hrsg. von Matthias Benad, Bielefeld 1997.

Uwe Kaminsky, Paternalistische Verschwiegenheit. Bethel, die Zwangssterilisation und die NS-„Euthanasie“, in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde, 89/2020, S. 69-87.

Uwe Kaminsky, Kers­tin Stock­he­cke, Dossier: Die „Aktion T4“ in Bethel, https://spurensuche-bielefeld.de/aktion-t4-in-bethel/