Bethel - 100 Jahre Wohnstätten Reichenwalde

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100 Jahre Wohnstätten Reichenwalde

Historische Aufnahme von Männern bei der Agrararbeit

Eine Arbeiterkolonie in den 1930er-Jahren bei der Ernte.

Männer sortieren Kartoffeln

Die Wohnstätten Reichenwalde feiern Jubiläum und gedenken ihrer wechselhaften Geschichte. Aufgrund hoher Obdachlosigkeit in Berlin und dem Umland gründete Pastor Paul Gerhard Braune 1925 die Arbeiterkolonie Reichenwalde. Ackerbau, Viehzucht, Holzverarbeitung: Von 1925 bis zum Ende der DDR waren die Wohnstätten Reichenwalde der Hoffnungstaler Stiftungen Lobetal von der Land- und Forstwirtschaft geprägt. In der ursprünglichen Arbeiterkolonie bewirtschafteten die jahrzehntelang ausschließlich männlichen Bewohner die Ackerflächen, steckten Kartoffelpflanzen, halfen mit bloßen Händen bei der Ernte und kümmerten sich in den Ställen um Kühe und Schweine. Im Gegenzug für ihre Arbeitskraft bekamen die Männer einen Platz zum Schlafen.

Doch schon bald stand mit Beginn des Zweiten Weltkriegs die erste schwierige Zeit der damaligen Arbeiterkolonie bevor. Der langjährige Hausvater Gustav Koch musste nicht nur um deren Erhalt kämpfen, sondern auch viele arbeitsfähige Kolonisten in den Kriegsdienst schicken. Mit Beginn des Kriegs gegen die Sowjetunion kamen russische Gefangene als Feldarbeiter nach Reichenwalde.

Historisches Bild zeigt Kinder und junge Männer, die im Hof sitzen.
Wandel von der Arbeiterkolonie zum Fürsorgehof: Nach Kriegsende wurden vermehrt männliche Jugendliche aufgenommen.

Nach Kriegsende wurde Ende der 1940er-Jahre aus der Arbeiterkolonie der Fürsorgehof Reichenwalde. Neben zahlreichen Geflüchteten, Älteren und Menschen mit Behinderungen kamen vermehrt männliche Jugendliche, die ihre Angehörigen durch den Krieg verloren hatten oder deren Eltern mit der Erziehung überfordert waren. Nach Feierabend war in den Schlafsälen der "Baracke", in denen oft 25 Männer gleichzeitig untergebracht waren, weder an Erholung noch an Privatsphäre zu denken.

Nachdem sich die Wohnsituation mit dem Bau des größeren Bodelschwinghhauses, welches die alte „Baracke“ als bis dato einziges Wohngebäude ersetzte, Ende der 1980er-Jahre bereits grundlegend verbessert hatte, brachte die politische Wende ab 1990 weitere Änderungen in der Arbeit und Unterbringung von Menschen mit Behinderungen mit sich. Auch die Zahl der Mitarbeitenden und deren Fachlichkeit erhöhten sich deutlich.

Das Aufweichen alter Grundsätze sorgte auch dafür, dass in den 1990er-Jahren erstmals Frauen in die männlich dominierten Wohnstätten Reichenwalde zogen. Für viele der Klientinnen und Klienten ergaben sich nach der politischen Wende zudem ganz andere Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und der eigenen Großküche.

Jubiläumsfest

Auf den Tag genau 100 Jahre nach der feierlich begangenen Gründung der Arbeiterkolonie fanden am 28. Juni Jubiläumsfeierlichkeiten statt. Aus Nah und Fern strömten die Gäste zum Gottesdienst und Sommerfest mit buntem Programm. Besucherinnen und Besucher bekamen die Gelegenheit, die historische Ausstellung „Damit Ihr mir keinen abweist – 100 Jahre Wohnstätten Reichenwalde“ im Schloss zu besichtigen und mit Zeitzeugen zu sprechen.

Fotos: Archiv Lobetal / Wohnstätten Reichenwalde, Raimund Müller