Vibeke Wellner steht hinter Mika und umarmt ihn.

Menschennah | Geschichten aus Bethel

„Die Brücke war unsere Rettung“

In jeder Hand eine Tasche, auf dem Rücken ein Rucksack: Vollbepackt steht Mika Wellner am Freitagmittag vor dem Gebäude der Kurzzeitwohngruppe „Brücke“ in Bielefeld-Bethel. Wie gut, dass ihm jemand die Tür öffnet. Andreas Karger, Leiter des Hauses am Ebenezerweg, heißt den 15-Jährigen herzlich willkommen. Mal wieder, denn Mika ist regelmäßig zu Gast in der Brücke. Das Wohnangebot, in dem er das Wochenende verbringen wird, ist für den Bielefelder zum zweiten Zuhause geworden.

Andreas Karger, Vibeke Wellner und Mika sitzen in einem Zimmer auf dem Bett.

In der Brücke können Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und Autismus-Spektrums-Störungen für einige Tage in Einzel- oder Doppelzimmern wohnen. Für Mika und seine Mutter ist die Wohngruppe seit zehn Jahren eine wertvolle Ergänzung zum Familienalltag. „Die Brücke war unsere Rettung“, sagt Vibeke Wellner, während sie über die schwierige Zeit spricht, als ihr Sohn sie mit seinem herausfordernden Verhalten an ihre Grenzen brachte. Seelisch wie körperlich. „Es war sehr anstrengend“, erinnert sie sich. „Mika hat kaum geschlafen und ich deshalb auch nicht.“ Die Brücke verschafft ihr bis heute die dringend benötigte Entlastung.

Aktuell nutzen rund 120 Familien wie die Wellners die Möglichkeiten der Brücke. Maximal zwölf Gäste finden dort gleichzeitig Platz. 1983 von Sarepta-Schwestern gegründet, befand sich die Wohngruppe zunächst als „Haus Brückenstraße“ in der gleichnamigen Straße. Ende 2005 erfolgte der Umzug nach Bethel. Die Grundidee habe bis heute Bestand, betont Andreas Karger, und die Symbolik im Namen des Angebotes gefällt ihm: „Wir wollen für Kinder und Jugendliche genauso wie für ihre Eltern Brücken bauen und ihnen so den Weg in eine neue Lebenssituation bereiten.“

Andreas Karger lächelt in die Kamera
»Wir wollen für Kinder und Jugendliche genauso wie für ihre Eltern Brücken bauen.«
Andreas Karger | Leiter der Kurzzeitwohngruppe

Wie das gelingt, lässt sich am Beispiel der Wellners gut veranschaulichen. Vibeke Wellner weiß noch genau, wie sie sich fühlte, nachdem sie entschieden hatte, ihren Sohn gelegentlich in fremde Obhut zu geben. „Es war fürchterlich“, erzählt sie, „ich hatte ein schlechtes Gewissen.“ Das überwand sie, weil sie schnell feststellte, wie gut die Zusammenarbeit mit Andreas Karger und dem 40-köpfigen Team der „Brückenbauer“ nicht nur ihr selbst, sondern auch ihrem Sohn tut. „Hier kann ich gut spielen“, sagt Mika und erzählt von Wasserschlachten und vom Kuchenessen. In der Brücke hat er Freundschaften geschlossen. „Mika ist auch immer selbstbewusster geworden und hat in lebenspraktischen Fragen Fortschritte gemacht“, ergänzt Andreas Karger. So hat der Junge beispielsweise gelernt, die Zutaten für eine Mahlzeit einzukaufen und diese zuzubereiten. Dass ihr Sohn inzwischen besser vorbereitet ist auf das, was kommen wird, beruhigt Vibeke Wellner: „Es fällt mir heute nicht mehr so schwer, damit umzugehen, dass Mika irgendwann zu Hause ausziehen wird.“

Staunend hat sie kürzlich weitere neu erworbene Fähigkeiten ihres Sohnes bemerkt. „Er räumt nicht nur die Spülmaschine aus, sondern macht jetzt auch morgens sein Bett und legt den Schlafanzug ordentlich zusammen“, erzählt sie. Und schiebt lachend nach: „Von mir hat er das nicht.“

 

Text: Philipp Kreutzer | Bild: Sarah Jonek

40 Jahre „Brücke“

Die „Brücke“ feiert 2023 ihr 40-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass stellten Gäste und Mitarbeitende des Hauses eine Fotoausstellung mit Porträts der Menschen, die dort leben und arbeiten, sowie von Angehörigen auf die Beine. Die Ausstellung war in der Neuen Schmiede in Bethel und zuletzt bei der Konferenz der International Short Break Association in Breslau in Polen zu sehen. Dort tauschten sich Menschen aus, die in der ambulanten Hilfe tätig sind. Andreas Karger und Mika Wellner gehörten dem fünfköpfigen Team an, das die „Brücke“ und Bethel vertrat.

Aktuell kann die Ausstellung im Dankort Bethel, Quellenhofweg 25, in 33617 Bielefeld-Bethel, besucht werden. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 9 bis 15:30 Uhr. Bis voraussichtlich Ende November werden die Bilder in der Halle zu sehen sein.

 

Diese Geschichte einfach gesprochen

Mika ist 15 und verbringt regelmäßig ein paar Tage in der Kurzzeitwohngruppe „Brücke“ in Bielefeld-Bethel. Das ist ein Angebot für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und Autismus-Spektrums-Störungen. Für Mikas Mutter bedeutet das eine Entlastung. Mika ist gern in der Brücke. Er hat dort Freunde gefunden und lernt dort zum Beispiel einkaufen.

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Kontakt

Kurzzeitwohngruppe Brücke
Ebenezerweg 14
33617 Bielefeld                                      

0521 144-3313

Zur Website der Einrichtung

 

 

Angebote & Leistungen

Die Kurzzeitbetreuung in einer besonderen Wohnform richtet sich an Kinder und Jugendliche mit Behinderungen im Alter von 0-18 Jahren. Es gibt autismusspezifische Förder-Angebote (TEACCH). Das Unterstützungsangebot umfasst Assistenz, Förderung und Begleitung sowie lebenspraktisches Training. Die Kurzzeitwohngruppe Brücke liegt zentral in der Ortschaft Bethel in Gadderbaum, einem lebendigen Stadtteil Bielefelds mit vielfältigen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung.

Menschennah

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