Andreas Zylla geht auf dem Bürgersteig an einem Haus vorbei. Er zieht einen Rollwagen hinter sich her. In der linken Hand hält er eine Zeitschrift.

Menschennah | Geschichten aus Bethel

Die Post kommt auch bei Regen

Andreas Zylla steht mit seinem Rollwagen vorm Eingang der Botenmeisterei.

Eine bekannte Faustregel besagt, man solle seiner Gesundheit zuliebe 10.000 Schritte am Tag gehen. Diese Marke knackt Andreas Zylla locker. Bei Wind und Wetter ist der Beschäftigte der Botenmeisterei in der Ortschaft Bethel unterwegs und verteilt Post- und Büchersendungen, Gemeindebriefe, Magazine und Tageszeitungen. „Ich brauche nach Feierabend kein Fitness-Programm mehr“, so der 64-Jährige. Die Bewegung an der frischen Luft tue ihm gut, allerdings sei es körperlich schon anstrengend. Besonders an heißen Tagen würden ihm die Botengänge zu schaffen machen. Regen dagegen störe ihn weniger. „Dafür gibt es ja die passende Kleidung.“ Am liebsten ist ihm der Frühling mit seinen milden Temperaturen.

In der Botenmeisterei finden Menschen mit Einschränkungen eine sinnvolle und verantwortungsvolle Beschäftigung. Sorgfältig sortieren sie in Handarbeit die Bethel-interne Post und stellen sie Einrichtungen und Haushalten zu. Wenn die druckfrischen RING-Magazine ankommen, herrscht im historischen Gebäude der „Alten Post“ immer Hochbetrieb: Die Zeitschriften müssen zügig auf die 14 Bezirke in Bethel und Eckardtsheim verteilt und ausgetragen werden. „Mein Stammbezirk umfasst etwa 260 Haushalte“, erklärt Andreas Zylla, während er seinen Rollwagen mit den neuesten Ausgaben bepackt. Es gibt also viel zu tun: Die Zeitschriften sollen spätestens am ersten des Monats in den Briefkästen liegen, so sein eigener Anspruch. „Andreas Zylla ist sehr fleißig und pflichtbewusst. Er hat eine hohe Arbeitsmotivation“, lobt ihn sein Bezugsmitarbeiter Dieter Patrzek.

»Hier muss keiner hetzen, jeder hat sein eigenes Tempo.«
Andreas Zylla

Gleichmäßigen Schrittes arbeitet sich Andreas Zylla Haus für Haus den langen Karl-Siebold-Weg voran. Für die Verteilung benötigt er etwa drei Stunden. Er genießt die Ruhe auf seiner Morgenrunde. Ab und zu ruft ihm jemand ein freundliches „Hallo“ entgegen. Man kennt sich – zumindest vom Sehen. Seit vier Jahren gehört der Bielefelder zum Team der Botenmeisterei. Zuvor hatte er 40 Jahre in einer Lackiererei gearbeitet. „In meinem Beruf kam ich mit dem hohen Leistungsdruck körperlich und psychisch nicht mehr zurecht“, blickt er zurück. Andreas Zylla wurde in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Evangelischen Klinikum Bethel behandelt. Dort wurde er auf die vielseitigen Beschäftigungsangebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen in Bethel aufmerksam gemacht. Denn mit der Erwerbsminderungsrente fühlte er sich auf das Abstellgleis geschickt. „Ich wollte immer arbeiten“, betont er. Umso dankbarer ist er heute für seine Stelle. „Hier muss keiner hetzen, jeder hat sein eigenes Tempo.“

Andreas Zylla greift in ein Postfach.
Mehrere Rollwagen
Andreas Zylla auf seiner Botenrunde in der Ortschaft.

Andreas Zylla erinnert sich noch gut an die erste Begegnung mit Dieter Patrzek. Er schnupperte gerade in verschiedene Einsatzgebiete hinein, als sein heutiger Bezugsmitarbeiter zu ihm meinte: „Sie würden hier super reinpassen!“ Dieser Satz habe ihn damals sehr berührt und zudem ermutigt. „Ich hatte erst noch Bedenken, ob ich das überhaupt schaffe, und ob ich mir alles merken kann“, gesteht er. Völlig unbegründet – denn seine Route beherrschte er nach kurzer Einarbeitungszeit aus dem Effeff. Ans Aufhören denkt der aktuell älteste Bote noch nicht. Er möchte solange weitermachen, wie er fit ist; oder bis er mit 67 Jahren die Altersgrenze erreicht hat. Jetzt freut er sich aber erst einmal auf die warmen Frühlingstage.

Text: Christina Heitkämper | Bild: Christian Weische

Diese Geschichte einfach gesprochen

Andreas Zylla arbeitet in der Botenmeisterei Bethel. Dort finden Menschen mit Einschränkungen eine sinnvolle Beschäftigung. Sie sortieren Post aus Bethel und teilen sie aus. Andreas Zylla ist für rund 260 Haushalte in der Ortschaft zuständig. Der 64-Jährige möchte noch so lange arbeiten wie er fit ist.

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Angebote & Leistungen

In der Botenmeisterei Bethel wird die eingehende Post in Handarbeit nach Einrichtungen und Postfächern sortiert. Die Zustellung der Post- und Büchersendungen, Tageszeitungen, Magazine und Gemeindebriefe erfolgt durch Botinnen und Boten zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in den Bielefelder Ortschaften Bethel und Eckardtsheim. In der Botenmeisterei Bethel finden Menschen mit Einschränkungen eine sinnvolle Beschäftigung.

Menschennah

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