Menschennah | Geschichten aus Bethel

Geborgen zwischen bunten Blubberblasen

Ella liebt Lametta. Ihre Mutter hat meist eine glitzernde Girlande dabei. Wenn sie mit ihr wedelt, reagiert Ella mit einem Lächeln. An guten Tagen gluckst das Mädchen vor Freude und lacht laut. Auch wenn Ella im Buggy über seichte Waldwege geschoben wird, ist sie ganz entspannt. Sonne lugt durch die Blätter, und kleine Lichtsprenkel tanzen auf ihrem Gesicht. Deshalb ist der Snoezelen-Raum in dem mit Spenden finanzierten Kinder- und Jugendhospiz Bethel wie gemacht für die Zwölfjährige.

Wechselnde Lichtquellen tauchen den weißen Raum in bunte Farben. Lichtpunkte huschen über die Decke. Ella liegt auf einem weichen Podest, den Kopf auf ein Kissen gebettet. Neben ihr steigen blubbernde Blasen in Wassersäulen auf. Mal gelb oder blau, mal rot oder grün. Ella kann nicht sprechen. Aber ihre Mimik zeigt: „Hier geht es mir gut.“ Ella kann nicht gehen oder sich aufrichten. Aber sie streckt die Arme aus, bis ihre Hände das Glas berühren. Schwerelos sprudeln die Blasen nach oben. Schwerelos? Das ist das Leben von Ella, ihrer großen Schwester Hannah und ihrer Mutter nicht.

»Wir müssen im Moment leben!«
Iris Engelmann | Mutter von Ella

Der Grund dafür hat einen kalten Namen: SCN 8A! Er bedeutet, dass sich in Ellas Erbgut ein kleiner Abschnitt spontan verändert hat. 8 A. Die Mutation bewirkt, dass sie schwere epileptische Anfälle bekommt und Informationen zwischen Nervenzellen nicht kontrolliert weitergeleitet werden können. Eine Therapie gibt es nicht. „Ella ist auf dem Stand eines Kleinkinds“, sagt ihre Mutter Iris Engelmann, die mit ihren Töchtern zehn Tage zu Gast im Kinder- und Jugendhospiz Bethel ist.

Die 52-Jährige erzählt sehr gefasst von ihrem Leben mit einem schwer kranken Kind. Nur mit viel Struktur sei der Alltag zu bewältigen. Iris Engelmann hat früher in der Projektplanung gearbeitet. Seit der Geburt ihres zweiten Kindes muss sie andere Pläne machen. Jeden Tag aufs Neue – für ihre kleine Ella. Denn das Mädchen darf nie allein sein, braucht für alles Hilfe. Am schlimmsten seien die epileptischen Anfälle. „Ella krampft jede Nacht. Seit sie drei Wochen alt ist. Und ich hoffe immer, dass sie wieder zu atmen beginnt“, sagt Iris Engelmann, erschöpft und dennoch hellwach.

Genau das ist das Konzept. Lebensverkürzend erkrankte Kinder werden betreut, gepflegt und medizinisch umsorgt. Ihre Eltern haben so Zeit, Kraft zu tanken, und Geschwisterkinder bekommen ein eigenes Programm, in dem sie einmal im Mittelpunkt stehen. Kinderhospiz, das heißt für die Familien: Verantwortung abgeben und das enge Korsett des Alltags lockern. Doch auch der Tod schaut manchmal durch die Tür. „Man bekommt im Laufe der Jahre mit, dass Kinder versterben. Im Hospiz oder aus der SCN 8A-Whatsapp-Gruppe“, sagt Iris Engelmann. Schnell wird der Gedanke wieder verdrängt. „Wir müssen im Moment leben!“, sagt sie. Ein Moment der Schwerelosigkeit ist greifbar: ein Ausflug ins Thermalbad. Sich einfach mal selbst treiben lassen im warmen Wasser und tief durchatmen. Denn Ella ist solang in Bethel in guten Händen.

Text: Heike Lepkojis | Foto: Thomas Richter

Diese Geschichte einfach gesprochen

Ella mag bunte Lichter und findet Lametta toll. Das glitzert schön. Sprechen oder gehen kann sie nicht. Ella hat eine schlimme Krankheit. Es gibt keine Medikamente dagegen. Ellas Mutter kümmert sich Tag und Nacht. Im Kinder- und Jugendhospiz Bethel sind die beiden gerne. Das ist ein bisschen wie Urlaub.

Sie möchten mehr erfahren?

Über die Einrichtung

Kinder- und Jugendhospiz Bethel

Remterweg 55
33617 Bielefeld

0521 144-2650

Zur Website der Einrichtung

Angebote & Leistungen

Das Kinder- und Jugendhospiz Bethel bietet Kindern und Jugendlichen mit einer lebensverkürzenden Erkrankung einen geschützten Rahmen, in dem sie gemeinsam mit ihren Familien Zeit verbringen können. Auf eigene Weise und in eigenem Tempo. Ziel ist es, den lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen mit ihren Familien eine lebenswerte Zeit zu ermöglichen.

Menschennah

Weitere Geschichten aus Bethel

Themen | Behindertenhilfe, Bielefeld

„Singen bringt gute Laune und macht lebendiger“

„Singen bringt gute Laune und macht lebendiger“

Themen | Psychische Erkrankungen, Unna

Der Traum vom eigenen Kinderbuch wird wahr

Der Traum vom eigenen Kinderbuch wird wahr

Themen | Epilepsie, Bielefeld

Hedwig Esders hat die Fäden in der Hand

Hedwig Esders hat die Fäden in der Hand

Themen | Psychische Erkrankungen, Königs Wusterhausen

Torsten Seligmann wird immer selbstständiger

Torsten Seligmann wird immer selbstständiger

Themen | Krankenhaus, Bielefeld

Schlaganfall-Kinderlotsin arbeitet von Bethel aus

Schlaganfall-Kinderlotsin arbeitet von Bethel aus
Micky steht neben seinem Banner.

Themen | Bielefeld

„Allesfahrer“ Micky begleitet Arminia überallhin

„Allesfahrer“ Micky begleitet Arminia überallhin

Pressekontakt

Presse + Kommunikation

Sie suchen Hilfe?

Sie oder eine angehörige Person sind auf Hilfe oder Begleitung angewiesen und suchen Unterstützung?

Sie möchten helfen?

In Bethel gibt es viele Möglichkeiten selber zu helfen. Wir freuen uns über jede Unterstützung!