Bethel - Im Hospiz ist er aufgeblüht

Ein Mann sitzt im Rollstuhl auf einem Balkon und lächelt.

Vom Balkon aus sieht man dichte grüne Baumkronen. Ein sanfter Wind trägt den Duft von Lavendel mit sich. Auf der Terrasse klappern Teller. Schwarzwälder-Kirschtorte geht auch in Westfalen. Lachen weht herauf. Eckhard Vinke fühlt sich wohl – ausgerechnet im Hospiz ist er aufgeblüht. Er ist Gast im neuen Betheler „Haus Zuversicht“. 

Der 73-Jährige versprüht eine besondere Energie. Er lächelt oft, und trotz seiner fortgeschrittenen Erkrankung wirkt er leichtherzig. Eckhard Vinke hat ALS. Das Nervensystem, das die Muskeln steuert, versagt. Er braucht einen Rollstuhl, verschluckt sich häufig, und die Luft wird manchmal schon knapp. Wenn er ein Glas hält, muss er beide Hände dafür nehmen und sich konzentrieren. Doch auch wenn sein Körper ihm immer mehr Grenzen setzt – Eckhard Vinke hat für sich beschlossen: „Ich möchte noch etwas erleben.“ Deshalb hat er auch erst eingewilligt, in das Betheler Hospiz zu ziehen, als er erfuhr, dass die Gäste ihre Zeit selbstbestimmt gestalten können. Zumindest so lange ihre Erkrankung es zulässt. „Ich hatte erst Angst, dass man im Hospiz nur noch im Zimmer liegt“, erzählt er. 

Ein Porträtfoto von Eckhard Vinke.
»Jetzt ist da ständig diese Lebensfreude.«
Eckhard Vinke, Gast im stationären Hospiz „Haus Zuversicht“ in der der Ortschaft Bethel

Stattdessen nutzt Eckhard Vinke nun jeden Moment, der ihm bleibt. Mit dem E-Rolli ist er ins Freizeit-und Kulturzentrum „Neue Schmiede“ gefahren, um inmitten anderer Fans Fußball zu schauen. Am Betheler Hotel Lindenhof begegnete er Weltreisenden. Klavierabende im Hospiz erfreuen ihn. Der schwer kranke Mann hat einen anderen Gast, einen Pastor aus Paderborn, kennengelernt. „Das waren anregende Gespräche“, sagt er. Eckhard Vinke, der sich selbst als spirituellen, aber nicht religiösen Menschen bezeichnet, sagt: „Es hat mich tief berührt, dass er mich in seine Gebete einbezogen hat.“

Ein Porträtfoto von Eckhard Vinke.

Reden – das ist Eckhard Vinke wichtig, wenn es menschlich passt. Von den Mitarbeitenden im Hospiz ist er begeistert: „Die sind alle mit dem Herzen dabei und gut ausgebildet“, sagt er. Über sich selbst wundert er sich. „Ich habe mich immer so viel mit dem Tod auseinandergesetzt“, erzählt er. „Und es gab immer etwas, bei dem ich gedacht habe: Bevor mir das passiert, möchte ich lieber sterben!“ Doch dann habe er auf der Intensivstation im Evangelischen Klinikum Bethel gelegen und die Nähe des Todes erfahren. Das habe alles verändert. „Jetzt ist da ständig diese Lebensfreude“, sagt er. Seine Augen strahlen in dem von der Krankheit gezeichneten Gesicht. 

An der Grenze zwischen Leben und Tod, nach einem Herzinfarkt und am Rande eines Multi-Organ-Versagens, hat Eckhard Vinke sich mit seinem Sohn und seiner Frau ausgesprochen. „Ich kann gehen: Es ist alles getan und alles gesagt“, meint er erleichtert. Lange hat er in Kassel und im Westerwald gelebt. Mit der Krankheit ist er zurückgekehrt nach Bielefeld, seinem Geburtsort. Und jetzt, im stationären Hospiz in Bethel, hat er wieder herzlichen Kontakt zu seiner Familie. Er freut sich auf ein großes Treffen: „Morgen kommen achtzehn Menschen zu Besuch. Auch meine beiden Enkelkinder“, sagt er und lächelt. 

Wenn er von sich und von seiner Kindheit spricht, ahnt man, dass sich der heute immer noch stattliche Mann oft sehr klein und hilflos gefühlt haben muss. Im wilden Garten versteckte er sich vor seinem Vater, ein Mensch mit vielen Traumata und Aggressionen. „Ich hatte aber die Gelegenheit, ihm zu verzeihen“ sagt Eckhard Vinke. In der Schule fühlte er sich nicht wohl und war völlig verängstigt. Später wollte er helfen – sich selbst und anderen. Er wurde Kunsttherapeut und war stets ein Suchender. Spiritualität. Schamanismus. Krafttiere. Geblieben ist ihm die Überzeugung, dass der Tod nur ein Abschied von seiner körperlichen Hülle ist. „Der Tod ist ein Übergang“, ist er sich sicher. Und den Weg will er möglichst im vollen Bewusstsein erleben, betont er. Er schätzt es sehr, dass seine Überzeugungen im Hospiz akzeptiert werden und ihm mit Respekt begegnet wird. Bei anderen Pflegediensten sei er zuvor oftmals als „Spinner“ abgekanzelt worden. 

Den Körper verlassen? Unausweichlich. Aber vorher kann er ihn noch spüren. Nicht nur versagend und schmerzend, sondern auch fast schwerelos. Denn im Haus Zuversicht wird vieles möglich – auch den Mann im E-Rolli ins Freibad zu begleiten und ihn ins Wasser zu heben. „Das war so schön!“, ist Eckhard Vinke dankbar. „Das ist hier nicht nur ein Hospiz zum Sterben, es ist ein Heilhaus“, sagt er. Er finde Ruhe, Unterstützung und menschliche Zuwendung. „Ich bin froh, hier zu sein.“ 

Text: Heike Lepkojis | Bild: Christian Weische

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Eckhard Vinke ist todkrank und lebt im Hospiz „Haus Zuversicht“ in Bethel. Dort kümmern sich Mitarbeitende um die Gäste, lindern Schmerzen und erfüllen letzte Wünsche. Eckhard Vinke fühlt sich wohl, nutzt jeden Moment für Schönes und hat keine Angst vor dem Tod. Er glaubt: Nur der Körper stirbt, der Geist bleibt.

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    Das Haus Zuversicht gibt schwerkranken Menschen in der letzten Lebensphase Unterstützung und Begleitung. Sie haben die Möglichkeit, diese Zeit nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. In zehn geräumigen Einzelzimmern schaffen helle Holzmöbel, Blumen und Bilder eine private Atmosphäre. Angehörige und Freunde haben die Möglichkeit, im Stationären Hospiz zu übernachten. In der großen Wohnküche und im Wohnzimmer kann Begegnung stattfinden.

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