Anke Burre lächelt in die Kamera. Im Hintergrund sieht man ein Regal mit Stoffen.

Menschennah | Geschichten aus Bethel

Quereinstieg aus der Modebranche

Was macht eigentlich eine Direktrice? „Die meisten denken, ich wäre eine Regisseurin“, sagt Anke Burre und lacht. Mit dem Filmgeschäft hat ihr Berufsbild, das sie letztlich nach Bethel führen sollte, ganz sicher nichts zu tun. „Ich konstruiere Schnitte“, lautet ihre Kurzformel für einen Beruf, der in der Textilproduktion zwischen Design und Fertigung angesiedelt ist. 35 Jahre hat sie das gemacht, bis sie im Dezember 2022 ins Tagwerk in Bielefeld-Bethel wechselte.

Hier, in einem tagesgestaltenden Angebot für Menschen mit psychischen Erkrankungen von Bethel.regional, begleitet sie jetzt eine Nähgruppe. Der kreativen Textilarbeit ist Anke Burre somit treu geblieben. Trotzdem hat ihre heutige Betätigung mit ihrem beruflichen Vorleben kaum etwas gemein. „Mittlerweile würde ich in der Modebranche nicht mehr arbeiten wollen“, sagt sie rückblickend.

Zwei Hände schneiden Stoff
Viele Stoffrollen in unterschiedlichen Farben

Und doch war es einst ihr Wunschberuf. Früher. Nach Schneiderlehre und Abitur studierte sie in Düsseldorf Modegestaltung, heute Modedesign genannt. Schon damals bemerkte sie, dass sie durchaus kreativ war, aber noch besser „konstruieren“ konnte. Konkret heißt das: „Ich kann mir schnell etwas vorstellen und das dann auch technisch umsetzen“, beschreibt sie ihre Stärke. Aus diesem Talent wurde schließlich ein Beruf: „Die Ideen kommen von der Designerin, ich entwickele die Schnittmuster, die dann von einer Näherin umgesetzt werden“, beschreibt sie die branchentypische Arbeitsteilung. Zunächst entwickelte sie diese Schnittmuster auf Papier, später mit einem CAD-Programm.

Anke Burre steht an einem Tisch und blickt in die Kamera
»Alle sind mit Hingabe dabei, sowohl Klientinnen wie Kolleginnen.«
Anke Burre

In Bielefeld startete sie ihre berufliche Laufbahn, die sie zu verschiedenen Modeunternehmen führte. Dabei gehörten auch Auslandsaufenthalte zu ihrem Berufsalltag. Schließlich musste sie die Qualität der laufenden Produktion kontrollieren, etwa in China, Indien und Bangladesch. Sie hat eine umfangreiche Berufserfahrung, doch in Bethel ist vieles neu für sie. „Die Menschen hier kenne ich mittlerweile richtig gut. Aber ich bin nun mal kein Profi in der sozialen Arbeit“, ist sie sich bewusst. Eine Ausbildung in diesem Bereich hat sie nie gemacht. Doch auch weil ihre Kolleginnen sie unterstützten, habe sie sich nie fehl am Platz gefühlt. Im Gegenteil: „Ich bekomme hier viele positive Feedbacks“, so Anke Burre.

Zwei Personen legen etwas auf ein Stück Stoff
Anke Burree und eine Frau schauen sich Stoff an

Das war früher nicht immer so: „Die Modebranche ist sehr oberflächlich. Da muss jeder einfach funktionieren. Es ging nur um Klamotten, nicht um Menschen.“ Genau das ist in Bethel anders. Im Tagwerk stellt sie fest, wie anders nicht nur die Arbeitsbedingungen sind, sondern vor allem auch der Umgang miteinander. „Alle sind mit Hingabe dabei, sowohl Klientinnen wie Kolleginnen“, sagt sie. Als sie noch „die Neue“ war, begegneten ihr die Klienten etwas zurückhaltend – „aber immer offen und positiv!“ Natürlich birgt die neue Aufgabe auch Herausforderungen: „Wenn Klientinnen eine schwierige Phase durchleben, geht mir das richtig nah. Man wächst ja zusammen im täglichen Miteinander.“ Trotzdem ist sie mit ihrer neuen Aufgabe glücklich: „So eine Chance als Querein­steigerin zu erhalten, das ist schon großartig.“

Jeder Tag ist anders. „Bei uns gibt es keine Produktion ‚vom Band‘. Ich überlege mir am Morgen, was wir machen. Aber meist kommt alles doch ganz anders.“ Schließlich sollen sich die Klientinnen und Klienten im Tagwerk kreativ entfalten. „Viele bringen eigene Ideen mit. Ich unterstütze dann bei der Umsetzung und achte darauf, dass die Beschäftigung passt und niemand frustriert ist.“ Trotzdem hat sie festgestellt: „Manchmal muss man die Leute auch einfach machen lassen.“

Text: Robert Burg | Bild: Matthias Cremer

Diese Geschichte einfach gesprochen

Anke Burre war früher in der Modebranche tätig. Nach 35 Jahren wechselte sie in die soziale Arbeit in Bethel. Heute begleitet sie eine Nähgruppe im Tagwerk, einem Angebot für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Besonders gut findet sie die Hingabe und den respektvollen Umgang dort.

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Kontakt

Bethel.regional
Tagesgestaltende Angebote Tagwerk, Standort TAZ-In
Herbergsweg 10
33617 Bielefeld

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Angebote & Leistungen

Das Angebot richtet sich an Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, Suchterkrankungen oder Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten. Ziel ist es, die Fähigkeiten zur Alltagsbewältigung und Gestaltung der persönlichen sozialen Situation zu stabilisieren und zu verbessern, Leistungseinschränkungen zu kompensieren und Belastungen durch das soziale Umfeld zu vermindern. 

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