Bethel - Von Sehnsucht erfüllt – und von Angst beherrscht

Die Scharniere mit denen Sabrina Schoolmann in der Bernhard-Mosberg-Werkstatt arbeitet

Die Schirmmütze weit ins Gesicht gezogen und den Blick gesenkt, so sitzt Sabrina Schoolmann an ihrem Arbeitsplatz in der Bernhard-Mosberg-Werkstatt in Bielefeld-Bethel. Eine Kollegin bringt ihr eine Box mit Scharnieren. Sabrina Schoolmann nickt dankbar, vermeidet aber Blickkontakt – nicht, weil sie sich nicht wohlfühlt, im Gegenteil: Erst vor wenigen Wochen ist die 36-Jährige in die Werkstatt gewechselt. „Mir gefällt es hier. Es ist schön ruhig“, sagt sie. Die anderen Beschäftigten seien sehr freundlich und hilfsbereit. Trotzdem fällt es ihr schwer, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Sabrina Schoolmann ist äußerst schüchtern. Das war sie schon immer. Sie habe damals in der Förderschule die anderen Kinder beneidet, die so unbeschwert miteinander gespielt haben. „Ich habe mich immer überall unsicher gefühlt.“

Einzige Ausnahme: ihr Zuhause. Das ist ihr Rückzugsort. Sabrina Schoolmann lebt gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in Verl, etwa 15 Kilometer südlich von Bielefeld. „Mein Bruder unterstützt mich im Alltag“, beschreibt sie ihre enge Bindung. Ihre besten Freundinnen heißen „Annabelle“, „Lina“, „Maja“ und „Luna“. Sie können zwar nur bellen, aber sie hören zu. „Ich kann meinen Hunden alles anvertrauen. Sie verstehen, wenn es mir nicht gut geht. Dann kuschle ich mit ihnen, und schon geht es mir besser.“ Sie findet Abenteuerfilme toll und mag es, in andere Welten einzutauchen.

 

Sabrina Schoolmann in der Werkstatt bei der Arbeit
» Mir gefällt es hier. Es ist schön ruhig.«
Sabrina Schoolmann, Beschäftigte in der Bernhard-Mosberg-Werkstatt

Früher ist Sabrina Schoolmann selbstständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit gefahren. Aber sie bekam vermehrt psychogene Anfälle. „Das war sehr unangenehm, weil die anderen Fahrgäste mich angestarrt haben. Ein Rettungswagen brachte mich dann ins Krankenhaus“, erinnert sie sich. Ausgelöst werden diese Attacken durch Stress, Unruhe und Lärm. „Wenn ich merke, dass ein Anfall kommt, setze ich mich schnell hin, weil mir sonst die Beine wegsacken und ich hinfalle“, schildert die Verlerin. Sie verliert kurzzeitig das Bewusstsein und ist nicht mehr ansprechbar. „Diese Anfälle können mehrmals in der Woche kommen.“ Seit der Jugend leidet sie darunter. Manchmal beruhigt es sie, Musik oder Hörspiele anzuhören. „Ich bin früher oft auf dem Boden gekrabbelt, wenn ich gemerkt habe, dass innere Unruhe aufkommt, aber das geht mit meinen Knieproblemen nicht mehr.“

Im Medizinischen Zentrum für erwachsene Menschen mit Behinderung (MZEB) im Krankenhaus Mara in Bielefeld-Bethel ist Sabrina Schoolmann in psychiatrischer Behandlung. „Die Gespräche mit Psychologen tun mir gut, sind aber anstrengend, weil man auch über unangenehme Dinge spricht und danach ins Grübeln kommt.“ Gegen die Anfälle bekommt sie Medikamente. Seit dem Wechsel in die Bernhard-Mosberg-Werkstatt sind die Anfälle weniger geworden. „Ich gehe wieder regelmäßig und gerne zur Arbeit, das war nicht immer so“, blickt die proWerk-Beschäftigte zurück. In der vorherigen Werkstatt in einem anderen Bielefelder Stadtteil war es unruhiger und lauter. Sie hatte dort vor allem Produkte in Tüten verpackt; die Montagearbeiten an ihrem neuen Arbeitsplatz gefallen ihr deutlich besser. „Am liebsten mache ich Aufgaben, bei denen ich schon eine Routine habe. Bei neuen Aufträgen dauert es immer ein bisschen, bis ich mich eingearbeitet habe“, gesteht sie.

„Ich freue mich, dass ich jetzt in einer Werkstatt in Bethel arbeite. Ich war hier auch auf dem Berufskolleg und habe gute Erinnerungen an diese Zeit.“ Außerdem lebe eine Bekannte in einem Wohnheim ganz in der Nähe, die sie manchmal nach der Arbeit besuche. Ihr gefällt das Ortschaftsleben, auch wenn sie es nur als Zuschauerin beobachtet. Sabrina Schoolmanns größter Wunsch ist ein Besuch in der Disco Nr. 7 des Kultur- und Freizeitzentrums Neue Schmiede. „Ich würde so gerne einmal tanzen gehen. Aber ich traue mich das nicht. Ich fühle mich unsicher unter vielen Menschen und habe Angst vor ihren Blicken.“ Ganz aufgeben möchte sie diesen Traum aber noch nicht. „Vielleicht fasse ich ja irgendwann all meinen Mut zusammen und gehe hin“, sagt sie zuversichtlich.

Text: Christina Heitkämper | Bild: Matthias Cremer

Diese Geschichte einfach gesprochen

Sabrina Schoolmann arbeitet in der Bernhard-Mosberg-Werkstatt in Bethel. Sie fühlt sich dort wohl, hat jedoch Schwierigkeiten mit den anderen Kollegen in Kontakt zu treten, weil sie schüchtern ist. Ihr größter Wunsch ist es, einmal in eine Disco zu gehen und zu tanzen. Trotzdem hofft sie irgendwann den Mut dafür zu finden.

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